Liebe/r Leser/in, Menschen wählen Menschen. Wir vergessen das bisweilen und glauben, es gehe stets um Ziele und Inhalte. Doch es geht eben auch um Namen, um Gesichter. Und um das, was mit diesen Namen und Gesichtern verbunden wird. Glaubwürdigkeit, Autorität, Charisma. Die Wahl in Brandenburg, aber auch die beiden vorhergehenden Wahlen in Sachsen und Thüringen erinnern uns wieder daran: Abgestimmt wird nicht nur über Programme – abgestimmt wird über Menschen. Nicht ein Kürzel aus drei Buchstaben gewann in Brandenburg. Es gewann Dietmar Woidke. So wie in Sachsen der Sieger nicht CDU heißt, sondern Michael Kretschmer. Und in Thüringen holte nicht die AfD die meisten Stimmen – dies gelang Björn Höcke. Natürlich sind diese so unterschiedlichen „Siegertypen“ ohne ihre jeweiligen Parteien und Ideologien nicht zu begreifen. Aber es gilt eben auch andersherum: Die Erfolge oder Misserfolge der Parteien sind ohne die Charaktere, die zur Abstimmung standen, auch nicht zu verstehen. Es scheint, dass in einer Phase, in der die politische Debatte immer schärfer und unversöhnlicher wird, Wahlen immer deutlicher als Abstimmungen über Personen zu erkennen sind. Gerade deshalb verstehen sich die „neuen“ Parteien AfD und insbesondere BSW nicht mehr als Parteien, sondern als Bewegungen. Wer sich diesen Bewegungen anschließt, lässt sich bewegen – von Björn Höcke oder von Sahra Wagenknecht. Die BSW-Solistin hat das Primat der Person über das Programm auf die Spitze getrieben. Es ist nicht wichtig, dass niemand weiß, wofür das BSW steht. Wichtig ist nur, dass Wagenknecht draufsteht. Diese Zuspitzung auf Personen scheint den Radikalen zu nützen und der Demokratie zu schaden. Doch das ist längst nicht ausgemacht. Auch die Strategen der etablierten, der „alten“ Parteien wissen um die Bedeutung ihres Spitzenpersonals. Wenn sie jetzt, nach den drei Wahlen im Osten, über Konsequenzen entscheiden, wird es auch und immer wieder darum gehen, von welchen Gesichtern, welchen Namen man sich am meisten verspricht. Es müssen, das hat die Wahl in Brandenburg gezeigt, Gesichter sein, die in einer dramatischen Situation des „Entweder-oder“ am ehesten überzeugen. Die Wahl zum nächsten Bundestag (egal ob vorgezogen oder nicht) wird in genau dieser Zuspitzung entschieden: Auch und gerade die „alten“ Parteien werden die Entscheidung an der Urne zur Schicksalsfrage erklären. Die Konservativen haben bereits entschieden, welchem Gesicht, welchem Namen sie in dieser Situation am meisten zutrauen. Die SPD zögert. Das heißt nicht, dass sie Scholz fallen lässt. Aber es heißt, dass sich die politische Zukunft des Kanzlers an dieser einen Frage entscheidet: Traut die SPD dem Kanzler im Bund jene Ausstrahlung zu, die Dietmar Woidke in Brandenburg zum Sieger machte?
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