sind (oder waren) Sie auch Wirecard-Aktionär? Dann können Sie bestimmt nachempfinden, dass ich letzten Donnerstag und Freitag schon sehr niedergeschlagen war. Der Kurs der Aktie war von über 100 Euro am Mittwochabend zunächst auf 38 Euro am Donnerstag und dann nochmal auf 24 Euro am Freitag eingebrochen. Am Montag ging es nochmals weiter abwärts auf 14 Euro, um am Dienstag auf knapp 17 Euro zu „klettern“. Maßgeblich für den Anstieg am Dienstag war die Meldung der Festnahme von Ex-Vorstandchef Markus Braun. Weitere Tendenz? Absolut spekulativ!
Wirklich bitter: Ich sitze aktuell auf knapp 80% Buchverlust
Bei Wirecard bin ich im Sommer 2018 eingestiegen und habe im Corona Crash im März dieses Jahres noch einmal nachgekauft. Nein, ich habe nicht verkauft und sitze aktuell auf einem Buchverlust von –80% – wirklich bitter.
Die meisten Wirecard-Aktionäre haben letzte Woche endgültig das Vertrauen verloren und die Reißleine gezogen, nachdem das Unternehmen am Stichtag 18. Juni den Jahresabschluss 2019 erneut nicht hat vorlegen können und der Verbleib von 1.9 Milliarden Euro, die angeblich irgendwo auf Treuhandkonten liegen, fraglich ist – oder besser gesagt, „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ gar nicht bestehen. „So viel kann man gar nicht fressen, wie man kotzen will“, sagte dazu sehr treffend Martin Weiß von der Aktionär TV Anfang der Woche.
Ich möchte jetzt nicht auf die Eckdaten und die vielen Spekulationen rund um eine augenscheinliche Bilanzmanipulation von Wirecard eingehen, dazu gibt es bereits unzählige Informationsquellen. Mir geht es mehr darum, aufzuzeigen, wie ich persönlich mit dem Verlust umgehe und was ich Börsenneulingen rate.
So gehe ich mit dem Verlust um und das rate ich Börsenneulingen
Vorweg, solange ich nicht verkaufe, ist der Verlust nur ein Buchverlust und noch nicht realisiert. Das soll jetzt nicht „altbacken“ rüberkommen. Die meisten Investoren – übrigens auch Frank Thelen, den ich als Tech-Investor vor allem in Start Up-Unternehmen sehr schätze – haben ihre Anteile spätestens Ende letzter Woche verkauft, um wenigstens die „gerettete“ Summe in aussichtsreichere Titel umzuschichten. Herr Thelen gab ehrlicherweise an, seine Anteile zu 30 Euro pro Aktie mit hohem Verlust verkauft zu haben.
Mein Bauchgefühl sagt mir, „halte die Aktie“. Die eigenen Partner, Umsätze und Gewinne werden ja vorerst (noch) nicht in Frage gestellt und wegen der paar verbliebenen Euros muss ich nicht mehr verkaufen. Der Zug ist für mich abgefahren. Nachkaufen werde ich aber auch nicht, weil womöglich noch weitere Leichen im Keller begraben sind. Zunächst muss eine korrekte, positive und abgeschlossene Bilanzprüfung her, was noch einige Monate dauern kann. Bevor das nicht erledigt ist, bezweifle ich auch, dass ein anderes Unternehmen Wirecard übernehmen will.
Warum habe ich nicht mit einem Stopp-Loss-Limit gearbeitet?
Zugegeben, lange Zeit habe ich blauäugig an die (vielleicht auch ein wenig herbei gesehnte) Zukunft eines deutschen auch international renommierten Technologieunternehmens geglaubt. Gerade deshalb ist meine Enttäuschung wohl auch so groß.
Dennoch, am Ende kann niemand wissen, wo Wirecard in zwei, drei oder fünf Jahren stehen wird –vorausgesetzt, das Unternehmen geht wegen geplatzter Kreditlinien zuvor nicht in die Insolvenz. Denn an einem an sich klasse Geschäftsmodell in einem absoluten Zukunftsmarkt hat sich ja nichts geändert. Ich warte es ab, ich bin ja noch jung und ich habe viel Zeit. Ich sage mir: Wer langfristig anlegt, der macht zwangsläufig auch mal schlechte Zeiten durch.
Zurück zu meinem Umgang mit dem Verlust und was ich Börsenneulingen empfehle. Dass ich am Wochenende mit Freunden eine ausgiebige Waldwanderung im Odenwald gemacht und meinen Kopf komplett „börsenfrei“ gestellt habe, sei nur am Rande erwähnt. Auch Sport, ein schönes Buch und alles abseits vom Parkett können heilsam sein. Wichtig ist, dem vermeintlich verlorenen Geld nicht hinterher zu trauern, es ist schließlich nur Geld, es geht hier nicht um Gesundheit oder gar Leben und Tod.
Grundsätzlich nimmt ein Titel in meinem Depot maximal 5% des Gesamtbestandes ein. Da halte ich es wie Beate Sander, die berühmte Börsenoma mit ihrem Leitspruch „breit gestreut, nie bereut“. So wird selbst der Totalverlust einer Aktie über Gewinne mit anderen Titeln mehr als kompensiert.
Ich streue meine Investments über verschiedene Unternehmen, Länder und Branchen…
… und halte aus einer Branche wenigstens zwei, manchmal auch drei Titel. Wie gut, dass ich den Bereich „Online Payment Solutions“ neben Wirecard auch mit Mastercard und Paypal abgedeckt habe. So liege ich bei Mastercard mit 28% und bei Paypal sogar mit 70% im Plus. Beide Titel zusammen halten meine Branche „Online Payment Solutions“ trotz Wirecard noch auf grünem Terrain.
Was mir beim Umgang mit einem Verlust ebenfalls hilft, das ist die Erkenntnis, dass selbst die größten Börsengurus wie Warren Buffet, oder prominente Fondsmanager wie David Einhorn oder Florian Homm auch so manche Fehlentscheidungen getroffen und zum Teil gigantische Verluste in Teilen ihrer Investments eingefahren haben. Warren Buffet ist mit seinem verlustreichen Ausstieg aus den amerikanischen Airlines das jüngste und beste Beispiel. Und trotzdem sind und bleiben sie überaus erfolgreiche Investoren.
Jürgen Schmitt von aktienlust hat es im Wortlaut einmal so gesagt: „Niemand ist unfehlbar. Am Ende geht es an der Börse nur darum, in Summe mehr richtige, als falsche Entscheidungen zu treffen. Und das ist mir – ohne falsche Bescheidenheit – bislang ganz gut gelungen.
In diesem Sinne, auf eine erfolgreiche Börsenwoche,