während der Sommer bis dato eher durchwachsen ist, diskutiert das halbe Land über Hitzetote. Irgendwas scheint da nicht ganz zu stimmen. Und selbst wenn in den kommenden Wochen mehr Menschen sterben sollten: Sind sie dann mit oder an der Hitze gestorben? Eine komplizierte Frage. Sie erinnert an das knifflige Ratespiel, mit dem die Öffentlichkeit bereits während der Corona-Krise verwirrt worden ist. Wir haben daher mal bei jemanden nachgefragt, der sich mit Medizin und Zahlenspielen bestens auskennt: Gert Antes, ein Medizinstatistiker, der einst Wissenschaftlicher Vorstand der Cochrane Deutschland Stiftung war und der sich wie niemand sonst für Evidenz in Medizin und Medien einsetzt. Für einen wie Antes ist die Sache mit den Hitzetoten sehr komplex: „Sagen wir mal, ein alter Mensch, der gesundheitlich nicht in guter Verfassung ist, versäumt es, ausreichend zu trinken, und dehydriert. Dann kann man natürlich sagen: Er ist an einer Folge der Hitze gestorben. Man kann aber auch sagen, er sei in ein Pflegeloch gefallen und habe nicht die Betreuung bekommen, die er eigentlich bräuchte.“ Wie schon während der Pandemie gibt die Politik also Gewissheiten vor, die es in der Wissenschaft nicht gibt. Im Cicero-Interview spricht Antes über unsachgemäßen Umgang mit Empirie und die Versäumnisse der Medien. Sein Fazit: Einstein wäre heute ein Schwurbler. Schwurbler sind übrigens oft auch die, die Zweifel an der aktuellen Politik des Westens im Ukraine-Krieg haben. Der US-Politologe John Mearsheimer wurde gelegentlich auch schon zu dieser speziellen Spezies von Menschen gezählt. Im zweiten und letzten Teil seines Cicero-Beitrags schreibt Mearsheimer über den wirtschaftlichen und demographischen Niedergang der Ukraine, den Vertrauensverlust, der eine diplomatische Lösung unmöglich macht, und die Fehler des Westens. Ein weiterer ernüchternder Blick in die Dunkelheit vor uns. Falsche Bilder sind auch das Thema, das Cicero-Autorin Christine Zinner beschäftigt. Noch immer etwa dominiert da das Bild der selbstbestimmten Sexarbeiterin die deutsche Öffentlichkeit, wenn es um Prostitution geht. Dass das nicht ganz stimmig sein kann, zeigt eine aktuelle Publikation des Juristen Ulrich Rommelfanger. Im Interview mit Zinner spricht er über die eklatante Menschenrechtssituation vieler Prostituierten und die Verfassungswidrigkeit der Prostitutionsgesetze. In Sachen Gesetzgebung ist sich Rommelfanger sicher: „Die Menschenwürde hat keine Rolle gespielt“. Ganz anders ist das natürlich bei der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten. Dabei wird auch der 4. Juli in den USA immer den Makel der Sklaverei tragen. Ein von liberalen Regeln begrenzter Staat, eine freie Marktwirtschaft und eine lebendige Zivilgesellschaft waren jedoch entscheidend für die Emanzipation der unterdrückten schwarzen Minderheit, schreibt Justus Enninga in seinem Beitrag zum Tag der Unabhängigkeit. Apropos Unabhängigkeit: Bekanntlich ist nicht jeder automatisch schon frei, der seiner Ketten spottet. Das zeigt sich gerade zum Beispiel im Ringen der Koalitionäre um das Elterngeld: Familienministerin Lisa Paus lässt nicht locker im Haushaltsstreit mit Finanzminister Christian Lindner. Doch wer jetzt schuldenfinanziert Sozialleistungen erhöht, tut das auf Kosten der Kinder, denen man ein überschuldetes Staatswesen überlässt. Und Schulden führen garantiert nicht in die ersehnte Freiheit, wie Cicero-Redakteur Ferdinand Knauß herausgearbeitet hat. Für ihn ist klar: Auf Schulden zu verzichten, ist die beste Sozial- und Familienpolitik. Über die beste Politik – aus konservativer Sicht – ließ gestern Abend in Berlin die Denkfabrik R21 diskutieren, unter anderem mit Andreas Rödder, Kristina Schröder und Cicero-Autor Mathias Brodkorb. Es ging um die Frage, wie sich das Konservative vom Rechtsextremen abgrenzen lässt. Und wie sich AfD-Wähler zurückgewinnen lassen. Unser Praktikant York Herder saß im Publikum. Ihr Ralf Hanselle, stellvertretender Chefredakteur |