Segelfilm “True Spirit” |
Jessica Watson bei Netflix – angucken! |
YACHT-Woche – Der Rückblick |
Die Woche in BildernLese-Empfehlungen der Redaktion |
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Liebe Leserinnen und Leser, |
wenn die Yacht im Winterlager steht und die Sehnsucht des Eigners am größten ist, dann wünschen sich viele Segler eine Ausflucht aus dem tristen Winter in Form einen Segelfilms. YouTube ist heute der Ort, um solche Filme zu finden. Doch immer wieder auch segeln Yachten über Kinoleinwände. Immer wieder lässt man einen Protagonisten mit einem Boot in Richtung Horizont segeln, um seinen Wunsch nach großer Freiheit zu visualisieren. Und wenn es denn schon große und teure Filmproduktionen gibt, in denen Boote vorkommen, dann ist der Segler natürlich gespannt. |
Selten jedoch waren Segeln und Hollywood auf Anhieb eine Erfolgs-Kombination. Denn egal welchen Blockbuster oder „Chick-Flick“ die Filmemacher in den vergangenen Jahrzehnten auch inszeniert haben – kaum einer wurde je den kritischen Augen der Segler gerecht. Immer gab es etwas auszusetzen. Ob es backstehende Segel bei voller Fahrt sind („da läuft der Motor mit“), idyllische Törns in den Sonnenuntergang („so ruhig ist die See selten“) oder gar gewaltige Wellen, die animiert anmuten („völlig unrealistisch“). |
Ich erinnere mich an „All is lost“ mit Robert Redford, den wir damals bei der Premiere im Jahr 2013 sogar als Redaktion geschlossen im Hamburger Kino angeschaut haben. Die Ankündigung las sich vielversprechend und wir hofften auf einen authentischen Film für Segler. Doch bereits nach den ersten Minuten wurde der Film zur Farce, als Redfords Segelboot von einem Container getroffen wurde. Ich schreibe bewusst: „getroffen wurde“, denn von „draufsegeln“ kann nicht die Rede sein: Der Container steckte von achtern an Steuerbord im Boot. Entweder musste Redford also rückwärts gesegelt sein – oder der Container hatte einen Antrieb. Als Redford dann nach vielen, vielen falsch dargestellten Szenen des Bordlebens schließlich mitten im Sturm die Rettungsinsel zündete, um hineinzukriechen und endlich mal eine Nacht entspannt zu schlafen - da war ich kurz davor, schreiend aus dem Kinosaal zu laufen. Selten so einen Quatsch gesehen. |
Man fragt sich unweigerlich, ob denn bei millionenschweren (neun Millionen!) Filmproduktionen niemand auf der Payroll steht, der sich mit Segeln auskennt und beratend zur Seite steht, um solch offensichtliche Filmfehler zu vermeiden. Ich glaube, dafür würde man in jedem Segelverein einen tauglichen Kandidaten finden. |
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Und doch müssen wir sie uns immer wieder ansehen: Die Filme, in denen Segelboote irgendeine Rolle spielen. Meist sind es nur Nebenrollen, so wie zum Beispiel die wunderschöne Spirit 54 im James Bond Streifen „Casino Royale“ oder der berühmte Trimaran von Kevin Costner in „Waterworld“. Kurze Auftritte, die uns doch irgendwie durch den Winter bringen. |
Deshalb horchte die Seglerwelt auch auf, als Netflix vor ein paar Monaten die Verfilmung der Geschichte Jessica Watsons ankündigte. Jener 16-jährigen Australierin, die mit ihrer S&S 34 „Ella’s Pink Lady“ im Jahr 2009 nonstop die Welt umsegelt hatte. Damals waren die Augen der ganzen (Segler)Welt nach Australien gerichtet, als das junge Mädchen zielstrebig ihren ehrgeizigen Plan in die Tat umsetzte – und sogleich beim ersten Shakedown-Cruise entlang der australischen Küste Schiffbruch erlitt. Ein Frachter war mit ihrem Zehn-Meter-Boot kollidiert und hatte das Rigg mitgenommen. Doch das war kein Grund für Jessica, es in ihrem unzähmbaren Willen nicht doch zu versuchen. |
Als „die echte“ Jessica Watson im Jahr 2011 ihr Buch „True Spirit“ in Deutschland präsentierte, hatte ich zusammen mit Wilfried Erdmann die Gelegenheit, sie einen Nachmittag lang zu treffen und kennenzulernen. Deshalb ging ich natürlich mit etwas gemischten Erwartungen an den Film heran. Denn wer die wahre Jessica kennengelernt hat, für den kann eine Verfilmung mit einer Schauspielerin eigentlich nur etwas künstlich wirken. |
Doch ich war überrascht, denn der bei Drehbeginn 17-jährigen Teagan Croft gelang es ausgesprochen gut, sich in die Rolle der jungen Jessica hineinzuversetzen. Selbst ihrer Filmmutter Anna Paquin - die mit der echten Mutti Watson nun wirklich überhaupt nichts gemein hat - nimmt man die Rolle gut ab. Ergänzt wurde das Ensemble durch die künstlich geschaffene Rolle ihres Mentors und dreifachen Weltumseglers Ben Bryant, der die Film-Jessica an die Hand nimmt und sie zum Hochseesegeln coacht. Im wahren Leben gibt es diesen Menschen gar nicht, doch er setzt sich vermutlich zusammen aus den wahren Personen Don McIntyre, der Jessica seine S&S 34 zur Verfügung stellte, und dem ebenfalls australischen Jon Sanders, der insgesamt elfmal die Welt umsegelte. |
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Gedreht wurde der Film an den Originalschauplätzen in Australien, was das Umfeld des Films durchaus realistisch erscheinen lässt. Wer selbst mal auf Blauwasser- oder Langfahrt gewesen ist, wird einige Situationen sogar wiedererkennen. Etwa die Weite des Ozeans, Delfine, die das Boot begleiten – und selbst die Flaute bei Nacht, in der das Schiff völlig still in einem unglaublichen Sternenmeer liegt. Sterne von oben und unten, weil sie sich auf der glatten Meeresoberfläche spiegeln. Das ist vom Ansatz her schon irgendwie realistisch, wenn auch völlig überzogen dargestellt. „Übertreibung veranschaulicht“, heißt es ja so schön. |
Die meiste Zeit des Films bekommt man allerdings den Eindruck, dass das Boot zwar draußen an Deck schaukelt, unter Deck aber völlig still liegt. Meist herrscht sowieso ideales Segelwetter und es geht bei solch einer Nonstop-Weltumsegelung offenbar vorwiegend darum, die Zeit abzusitzen. Und eine gute Zeit zu haben. Da sitzt dann Teenagerin Jessica in der einen Szene noch mit frisch gewaschenen und gekämmten Haaren und lackiert sich die Fußnägel, liegt dann gemütlich in der Naviecke und plaudert stundenlang über Satellit mit ihren Schulfreundinnen. In der nächsten Szene putzt sie das Boot, backt einen Kuchen und räkelt anschließend mit modischen (und vor allem: stets strahlend-weiss sauberen) Klamotten im Cockpit. Als ich selbst mit 19 Jahren einhand über den Atlantik gesegelt bin … nun, da sah ich schon ein bisschen anders aus. Wie man halt so aussieht, wenn 3000 Seemeilen keine Dusche in Reichweite ist. Und auch an Hausputz und Aufräumen war nur bedingt zu denken. Wie soll man das auch machen, wenn ständig alles schaukelt? |
Als es im Film seglerisch dann einmal ans Eingemachte geht, das Schiff in einen schweren Sturm kommt und schließlich kentert, krallt sich selbst der kritische Segler mit den Fingernägeln in die Sofalehne. Die Wellen sind zwar völlig unrealistisch dargestellt, doch die Spannungskurve der Story funktioniert. Jessica befindet sich zu dem Zeitpunkt unter Deck und man kann erahnen, dass die Filmcrew beim Dreh zahlreiche Gegenstände durchs Bild wirft, während der Kameramann dabei ist, kräftig seine Kamera zu schütteln. Als das Schiff über Kopf geht, stockt der Atem. Doch zugleich fällt auf, dass einige Gegenstände im Hintergrund einfach (entgegen der Schwerkraft) an der Decke kleben bleiben. Aber solche Filmfehler bemerken sicher nur Segler. |
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Doch das Wichtigste: Die Emotionen, was es bedeutet, 210 Tage allein auf See zu sein und dann nach einer geglückten Reise den Ausgangshafen zu erreichen, kommen im Film gut herüber. Vor allem wird auch die Rolle der Eltern nachvollziehbar dargestellt, der Zwiespalt zwischen der Sorge, sein Kind ins Verderben segeln und dem Willen, es seinen eigenen Weg gehen zu lassen. Ein wenig leidet man sogar mit den Eltern, als Jessica auf der Zielgeraden nochmal in einen schweren Sturm kommt. |
Fazit: Ein familientauglicher Segelfilm, den man sich durchaus anschauen kann. Aber bitte ohne Notizen, was fachlich falsch dargestellt ist. |
Übrigens: Im Abspann ist der Film dann nochmal angereichert mit Original-Szenen der echten Jessica und wie es an Bord wirklich gewesen ist. In einer Szene sitzt Jessica mit filzigen Haaren auf spakigen Polstern – und die Seglerwelt ist wieder in Ordnung. |
Johannes Erdmann, YACHT-Redakteur |
Jessica Watson war übrigens auch im Delius Klasing-Podcast “Meilen und Zeilen” zu Gast - hier könnt ihr die Folge hören! |
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Die Woche in Bildern: |
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Nach einem spektakulären Finish kam Boris Herrmanns "Malizia - Seaexplorer" als viertes Schiff ins Ziel der zweiten Etappe von The Ocean Race |
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RIGG-CHECK |
Darauf sollten Eigner vor dem Maststellen achten |
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Ein Schaden am Rigg kann auf See schwerwiegende Folgen für Boot und Mannschaft haben. Mit einer regelmäßigen Durchsicht lassen sich viele Fehlerquellen frühzeitig erkennen und Mastbrüche vermeiden |
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Hübsch, schnörkellos, funktional. Die J/9 steht für den typisch amerikanischen Pragmatismus im Bootsbau. Leider wird der Daysailer vorerst nur in den USA gebaut |
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Segeln bei Facebook, Insta und Co. Der Tod der klassischen Segelliteratur? |
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Doppel-Angriff bei der Solo-Weltumsegelung |
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So tauschen Sie den Motor in 12 Schritten aus |
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Wenn der alte Bootsantrieb gegen einen neuen getauscht werden soll: Was geht wie in Eigenregie, was kostet und wie lange dauert es? |
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