Doch auch die Technologie-Werte bleiben operativ nicht von den Auswirkungen verschont und setzen entweder ihre Jahresprognosen aus oder haben eine erhöhte Kostenbelastung, was die Ergebnisse drückt. Wenn auch vergleichsweise moderat. Nur ganz wenige Unternehmen sind auch auf kurze Sicht Corona-Profiteure und erhöhen entsprechend ihre Prognosen. Die Konsequenz ist, dass die Bewertung der Technologie-Unternehmen gestiegen ist. Die Kurse notieren oft am Allzeithoch, während die Gewinne (etwas) niedriger ausfallen. Getrieben werden die Kurse vor allem durch die enorme Liquidität, die die Notenbanken ins System pumpen. Und das zeigt auch bei den klassischen Unternehmen Wirkung, zumal weltweit der Lockdown zurückgedreht wird und die Wirtschaft langsam wieder Fahrt aufnimmt. Dem entsprechend gehörte in den letzten Tagen die „Old Economy“ zu den Kursgewinnern, während die Technologie-Aktien schwächelten. Nicht verwunderlich, denn die Stimmung ist absolut mies, die eintrudelnden Konjunktur-Daten sind nach wie vor verheerend, aber… die Früh-Indikatoren zeigen Erholungstendenzen und die Börse spielt nicht das Hier und Jetzt, sondern das Morgen und Übermorgen. Und ausgehend von der aktuellen Wirtschaftslage wird es in sechs, neun und achtzehn Monaten wesentlich besser sein als heute. Wenn auch noch nicht unbedingt gut oder gar wieder so gut wie vor der Corona-Krise. Der Favoritenwechsel an der Börse bedeutet nicht, dass die mittel- und langfristigen Aussichten für die Technologie-Aktien sich verschlechtert hätten. Die positiven Erwartungen sind nur schon stärker in den Kursen eingepreist, als es dies bei den zuvor ausgebombten klassischen Aktien der verprügelten Sektoren der Fall war. Und diese Sektor-Rotation birgt einiges an Potenzial, das auch die ehemaligen Familien-Mitglieder der Danaher-Dynastie (be-)treffen könnte. Danaher – Eine ganz besondere Familiengeschichte! Danaher war ein Misch-Konzern, der vor allem angeschlagene Unternehmen kaufte und wieder auf Vordermann brachte. Über 400 Unternehmen verleibten sich die Amerikaner ein seit der Gründung im Jahr 1969 durch die Brüder Steven und Mitchell Rales, die heute im Aufsichtsrat sitzen und zusammen über zwölf Prozent der Anteile halten. Nach der bis dahin größten Übernahme der Firmengeschichte, des Filterspezialisten Pall, für 13,8 Milliarden Dollar stand auch Danaher am Scheideweg – das Unternehmen war zu groß und unübersichtlich geworden. Und so entschied man sich 2016, das Unternehmen in zwei Teile aufzuspalten. Das Unternehmen Danaher Corp. wurde für die Bereiche Forschung und Technologie zuständig und war vor allem in der Umwelt- und Mess-Technik, der Zahnarzt-Ausrüstung und der Diagnostik tätig. Und umfasst auch den Filterspezialisten Pall. Die Fortive Corp. hingegen konzentrierte sich auf das klassische Industriegeschäft, also Tankstellen-Ausrüstung, Telematik und Automation. Das Danaher Business System Die Grundlage beider Ableger ist und bleibt das sogenannte Danaher-Business-System, hinter dem sich ein permanentes Effizienzprogramm verbirgt, dem sich alle übernommenen Firmen unterziehen müssen. Aber in regelmäßigen Abständen auch immer wieder die im Bestand. Dabei werden alle Konzepte, Arbeitsabläufe und Handgriffe überprüft und ggf. verbessert. Manager zugekaufter Unternehmen werden auf eine mehrwöchige Rundreise durch die Danaher-Welt geschickt, damit sie die Effizienz-Doktrin des Hauses verinnerlichen. So werden Wachstum, Margen und Geldfluss kontinuierlich gesteigert. Doch Wachstum im operativen Geschäft ist nur ein Teil des Geschäftsmodells. Weitere Firmen-Übernahmen sind das zweite Standbein beider Unternehmen und hieraus speist sich auch die Rechtfertigung für die optisch höhere Börsenbewertung: die Erwartungshaltung, dass beide Unternehmen auch künftig die Erfolgsgeschichte der ursprünglichen Danaher Corp. fortführen und langfristig zweistellige Renditen für ihre Aktionäre einfahren werden. Allerdings ist es nicht bei dem ersten Spin-off geblieben auch die „Baby-Danahers“ haben sich weiter aufgeteilt, so dass man heute nicht mehr den einen Gemischtwarenladen vorfindet, sondern auf bestimmte Sparten spezialisierte Beteiligungsunternehmen. Die (neue) Danaher Corp. Danaher ist in den Bereichen Gesundheit und Umwelt aktiv und führt aktuell 25 Tochter-Unternehmen. Im Sektor Life Sciences geht es um die Entwicklung von Geräten und Verfahren für die medizinische Forschung und Anwendung, z.B. Mikroskope und Spektrometer. In der Sparte Diagnose werden Krankenhäuser und Ärzte mit Geräten und Software ausgestattet, um Diagnosen stellen zu können. Die Sparte Environmental & Applied Solutions beschäftigt sich mit Umwelt-Technik. Hier geht es um das Reinigen von Wasser und umweltfreundliche Verpackungen. Nicht mehr an Bord ist die Dental-Technik, die Danaher letztes Jahr im Wege eine Split-offs seinen eigenen Aktionären zum Tausch gegen Danaher-Aktien angeboten hatte. Auf diesem Weg wurden 7,7 Prozent der Danaher-Aktien eingesammelt und somit die Zahl der ausstehenden Aktien verringert. Was sich künftig gleich doppelt positiv auf den Gewinn je Aktie auswirken wird, da die nun unter Envista notierte Dental-Sparte eher margenschwach daherkam und sich der Gewinn künftig auf weniger Aktien verteilt. Auf der anderen Seite kaufte Danaher für 21,4 Milliarden Dollar die Biopharma-Sparte („Cytiva“) von General Electric zu – wo seit einiger Zeit der ehemalige Danaher-CEO Larry Culp den Turnaround bei der einstigen Industrie-Ikone und wertvollstem Unternehmen der Welt versucht. Danahers Business wird von Corona kaum beeinträchtigt, während bei Cytiva große Potenziale schlummern, die durch das Danaher Business System zu heben sind. Der Danaher-Kurs steht entsprechend nahe an seinem bisherigen Allzeithoch. Danaher Corp. (ISIN: US2358511028) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | 866197 / DHR | 114 Mrd. USD | 43 / 36 / 29 | 163,48 USD | Die Fortive Corp. Ganz anders sieht die Lage bei Fortive aus, einem global tätigen Industrie-Unternehmen, das sich auf die Wachstums-Chancen in den sich schnell entwickelnden Transport- und Mobilitäts-Märkten konzentriert. Fortive verfügt über ein Portfolio führender Marken in den Bereichen Einzelhandels- und Handels-Tanks, Flotten-Management sowie Kfz-Service- und Reparaturlösungen. Damit ist Fortive von der allgemeinen Konjunkturlage abhängig, was bis vor einigen Wochen für glänzende Geschäfte und Augen sorgte. Doch Corona hinterlässt tiefe Bremsspuren im operativen Geschäft und so verfehlte Fortive kürzlich die Erwartungen und musste darüber hinaus auch seine Jahresprognosen kappen. Auch Fortive wendet weiterhin das Danaher Business System an, um sich ständig zu verbessern und weiterzuentwickeln. Und auch Fortive nutzt sich bietende Chancen, um durch Übernahmen anorganisch zu wachsen und hier dann zusätzliche Potenziale und Synergien heben zu können. Andererseits will Fortive auch nicht wieder zu sehr in die Breite gehen, sondern sich auf seine Kernkompetenzen fokussieren. Hierzu plante man nach eigenem Vorbild die Abspaltung eines Teilbereichs: „Vontier“ wird sich auf die Transport- und Mobilitäts-Märkte konzentrieren und zunächst aus einem Portfolio führender Marken für Einzelhandels- und gewerbliche Betankung, Flotten-Management und professionelle Werkzeuge bestehen, darunter Gilbarco Veeder-Root, Matco Tools und Teletrac Navman. Aber aus den Plänen wird erstmal nichts, dank Corona, und Fortive hat den Abspaltungsprozess gestoppt. Er soll später wieder aufgenommen werden und zur gewünschten Spezialisierung beider Teile und zu mehr Shareholder Value bei allen Beteiligten führen. Während die Nachrichtenlage also noch keine Freude bereitet, konnte sich der Fortive-Aktienkurs seit dem Märztief bei knapp 40 Dollar um mehr als 50 Prozent erholen und notiert bereits wieder bei über 60 Dollar. Allerdings liegt die Notierung damit noch immer deutlich unter den Allzeithochs aus dem Frühjahr 2019, als der Kurs schon die 90 Dollar-Marke ansteuerte. Weiteres Potenzial, wenn alles rund läuft, ist also vorhanden. Fortive Corp. (ISIN: US34959J1088) | | WKN / Kürzel | Börsenwert | KGV 20e/21e/22e | Kurs | A2AJ0F / FTV | 20,7 Mrd. USD | 39 / 24 / 20 | 60,55 USD | Mein Fazit: Sowohl Danaher als auch Fortive haben sich von dem Sell-off Mitte März deutlich erholt. Doch während Danaher die Kursverluste bereits annähernd wieder gutmachen konnte, bietet der Fortive-Kurs nochmals 50 Prozent Aufholungspotenzial bis zum früheren Höchstkurs. Betrachtet man die wirtschaftliche Entwicklung beider Unternehmen, ist dieser Unterschied durchaus nachvollziehbar. Doch da die Börse die Zukunft handelt, stellt sich Frage, welche Aktie auf Sicht der nächsten Monate die besseren Entwicklungs-Chancen bietet. Die sichere Wahl ist und bleibt Danaher mit seinem krisen- und konjunkturrobusten Business, doch Fortive dürfte deutlich stärker von der anstehenden wirtschaftlichen Erholung profitieren. Sollte der Kurs anspringen, würde der Wert schnell teuer aussehen angesichts der noch gedämpften Zahlen, die uns für das 2. Quartal erwarten. Andererseits dürfte die sich abzeichnende Erholung ab dem 3. Quartal einen gestiegenen Aktienkurs schnell fundamental unterfüttern und absichern. Langfristig bleiben beide Unternehmen aussichtsreich; auf kurze Sicht könnte Fortive die zwar spekulativere, aber auch interessantere Wahl sein. Möglicherweise ist es also Zeit für einen Favoritenwechsel... Die heutige Ausgabe entstand wieder in Zusammenarbeit mit Michael C. Kissig, Value Investor und Betreiber des Blogs iNTELLiGENT iNVESTiEREN. Autorenprofil Michael C. Kissig studierte nach Abschluss seiner Bankausbildung Volks- und Rechtswissenschaften und ist heute als Unternehmensberater und Investor tätig. Neben seinem Value-Investing-Blog „iNTELLiGENT iNVESTiEREN“ verfasst er regelmäßig eine Kolumne für das „Aktien Magazin“. | | Hinweispflicht nach §34b WpHG: Der/die Verfasser ist/sind in ein oder mehreren der oben genannten Wertpapieren/Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels investiert: Danaher & Fortive. Es können daher Interessenskonflikte vorliegen. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.
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