„Am Anfang war das Wort.“ – Werkschau Pavel Juracek Mit einer Liberalisierung des stalinistischen Regimes und der Lockerung von Zensurbestimmungen kam es in den 1960er-Jahren zu einer besonders ergiebigen Phase in der tschechoslowakischen Filmproduktion, die als Tschechoslowakische Neue Welle in die Kinogeschichte eingegangen ist. Unter dem Einfluss internationaler Neuerungsbewegungen wie der französischen Nouvelle Vague, dem italienischen Neorealismus, aber auch den Dokumentarfilmen des US-amerikanischen Direct Cinema, realisierten junge Regisseure stilistisch ausgewöhnliche, experimentelle Arbeiten, die oft absurden Humor mit hintersinniger Politkritik verbinden. Pavel Juracek zählte zu den zentralen Akteuren dieser Strömung, auch wenn er gegenüber namenhaften Proponenten wie Milos Forman und Vera Chytilova heute weitestgehend in Vergessenheit geraten ist. Juracek arbeitete vor allem als Drehbuchautor, realisierte aber auch selbst drei Kurz- und zwei Langfilme und bediente dabei von Gegenwartsdramen, über Sciene-Fiction- und Historienstoffen bis hin zu Komödien eine Vielzahl an Genres. Allegorische Kritik an den Verhältnissen im Staatssozialismus hält sein Werk zusammen – und wurde für ihn mit dem Wiedererstarken neostalinistischer Machthaber und dem Ende des Prager Frühlings zum Verhängnis. Juraceks zweiten Spielfilm Prípad Pro Zacínajícího Kata/Case for the New Hangman kassierten die Zensoren 1970 nach nur wenigen Vorführungen. In der Folge erhielt der Regisseur Berufsverbot und emigrierte nach Deutschland, wo er sechs Jahre lang erfolglos versuchte, in der Filmbranche Fuß zu fassen. Bevor Juracek 1989 kurz vor dem Ende der Sowjetunion stirbt, kann er nur noch eine einzige Arbeit fertigstellen: Einen Lehrfilm für Fahrkartenkontrolleure der Prager Verkehrsbetriebe. Die Werkschau „Am Anfang war das Wort.“ widmet sich in neun Programmen den bemerkenswertesten Arbeiten des Filmemachers. Wir präsentieren sie in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum Berlin und mit Unterstützung des Nationalen Filmarchiv Prag. Zum Auftakt läuft am Freitag, den 24.01., um 20 Uhr der Endzeitfilm Konec srpna v hotelu Ozon/Late August at the Hotel Ozone, in dem eine Gruppe junger Frauen in post-apokalyptischer Landschaft nach Männern sucht, um die Menschheit vor dem Aussterben zu retten. Matej Strnad, Chef-Kurator vom Nationalen Filmarchiv Prag, führt in den Film und die Werkschau ein. Juracek zweite Regiearbeit Postava k podpírání/Joseph Kilian ist ein absurdes Drama mit Kafka-Bezügen und handelt von einem Mann, der verzweifelt versucht, eine entliehene Katze zu retournieren. Wir zeigen den Film am 25.01. (Samstag) um 20 Uhr. Im Anschluss an das 40-Minuten-Werk wird der Herausgeber Pavel Hajek aus den gesammelten Tagebuchtexten von Jurácek vorlesen und steht außerdem für ein Publikumsgespräch zur Verfügung. Juraceks finaler Langfilm Prípad Pro Zacínajícího Kata/Case for the New Hangman läuft am Sonntag, den 26.01. um 18.30 Uhr. Die ihrerzeit kontrovers aufgenommene surreale Satire ist eine Variation des Jonathan Swift-Klassikers Gullivers Reisen und wird ebenfalls von Matej Strnad eingeführt. |