Zweifel an der Nachhaltigkeit des neuen DAX-Rekordhochs
Zweifel an der Nachhaltigkeit des neuen DAX-Rekordhochs von Sven Weisenhaus Dem DAX scheint heute ein Befreiungsschlag gelungen zu sein. Denn die psychologisch wichtige Marke von runden 17.000 Punkten wurde deutlich nach oben verlassen, ebenso wie die flache Aufwärtstendenz, die mehr als 3 Wochen lang dominierte (grüner Trendkanal im folgenden Chart). Bei fast 17.200 Zählern markierte der deutsche Leitindex dabei ein neues Rekordhoch, welches sich endlich klar von den bisherigen Höchstständen absetzen konnte. Diese lagen zuvor jeweils nur knapp über den vorangegangenen. Das trifft insbesondere auf diejenigen Rekorde zu, die in den vergangenen zwei Wochen aufgestellt wurden. Und in allen Fällen fiel der DAX anschließend wieder unter das Hoch zurück, welches bereits am 14. Dezember bei 17.003,28 Zählern markiert worden war (rote Bögen). Aus Sicht der Bullen hatten diese Fehlsignale glücklicherweise keine bearishen Konsequenzen. Häufig kommt es nach Fehlausbrüchen zu einer starken Bewegung in die entgegengesetzte Richtung. Bei den zahlreichen Fehlversuchen der Bullen, den DAX über die 17.000er Marke zu treiben, fielen die Rücksetzer aber jeweils relativ kurz aus, so dass die flache Aufwärtstendenz intakt blieb. Selbst als der Aufwärtstrendkanal am Dienstag nach unten verlassen wurde, konnte man noch ein höheres Tief unterstellen, weil der DAX die Rechteckgrenze bei 16.850 Punkten verteidigte (siehe grüner Pfeil im Tageskerzenchart) und er damit oberhalb des Tiefs vom 1. Februar blieb, welches bei 16.821,60 Zählern markiert worden war. Offenbar hat aber nun dieser Fehlausbruch zu einer starken Bewegung in die entgegengesetzte Richtung geführt, so dass der DAX dynamisch auf das aktuelle Rekordhoch steigen konnte. Ob das in diesem Fall aber nachhaltig sein wird, muss abgewartet werden. Ich habe Zweifel. Endet auch das aktuelle Rekordhoch als Fehlsignal? Denn die US-Indizes sind weiterhin längst überfällig für eine Korrektur, sowohl aus charttechnischer Sicht, weil die Kurse massiv überkauft sind, als auch aus fundamentaler Sicht, weil die Bewertung überdurchschnittlich hoch ist, da die Aktienkurse schneller gestiegen sind als die Gewinne der Unternehmen. Dabei wurden die Kurse auch von Zinssenkungserwartungen getrieben, die sich aber nicht erfüllen werden, weil sich der Inflationsdruck hartnäckiger präsentiert als erhofft. US-Erzeugerpreise: Wieder schlechte Nachrichten zur Inflation Erst heute haben nach den US-Verbraucherpreisen (siehe „Die US-Inflationsdaten liefern den Bären eine Steilvorlage“) auch die US-Erzeugerpreise enttäuscht. Sie legten im Januar vor allem in der Kernrate um recht kräftige +0,5 % zum Vormonat zu. Erwartet worden war nur ein Anstieg um moderate +0,1 %, nach einem Rückgang um -0,1 % im Dezember. Die Jahresrate kletterte dadurch auf +2,0 %, statt sich wie erwartet auf +1,6 % abzuschwächen, nach +1,7 % im Dezember. Bei solchen Daten besteht die Gefahr, dass die Inflation wieder zulegt, statt weiter nachzulassen. Zumal dies nicht die ersten Daten sind, die zumindest teilweise in diese Richtung deuten (siehe „Zinsanhebung statt Zinssenkung?“). In einem Vierteljahr nur ein einziger mehrtägiger Rücksetzer Dass die Aktienmärkte in den USA vor diesem Hintergrund weiterhin keinerlei Anzeichen von Schwäche aufweisen, ist unnormal. Da es auch am Dienstag mit den Kursen wieder nur an einem einzelnen Tag abwärts ging, hat es seit mehr als einem Vierteljahr (!) immer noch nur einen einzigen mehrtägiger Rücksetzer gegeben, bei dem es mit dem Dow Jones gerade mal um 1,86 % nach unten ging. Das ist absolut außergewöhnlich und vollkommen verrückt. Und nach wie vor sind dafür nur kleine Teile des Marktes verantwortlich. Siemens und SAP ziehen den DAX nach oben Übrigens gilt das nicht nur für die US-Indizes. Der DAX konnte seit dem Zwischentief vom Oktober 2023 dank des heutigen Rekordkurses um bis zu 17,55 % zulegen. In diesem Zeitraum stiegen zwar auch die Kurse von 36 DAX-Werten, während nur 4 Aktien nachgaben, womit es auf den ersten Blick nach einem breit getragenen Anstieg aussieht, wie die Helaba aber heute berichtet, fällt der Beitrag der einzelnen DAX-Mitglieder zur Indexentwicklung ähnlich unausgewogen aus wie in den USA. Denn laut der Helaba ist Siemens für rund 22 % und SAP für rund 20 % des DAX-Anstiegs verantwortlich. DAX: Industrie vor Technologie Interessant ist, dass dabei der Industriesektor einen größeren Anteil am DAX-Anstieg hat als der Technologiebereich. Das liegt allerdings laut einer weiteren Analyse der Helaba auch daran, dass im DAX Technologietitel deutlich niedriger gewichtet sind als zum Beispiel beim S&P 500 oder auch dem Nikkei 225. Der Nikkei 225 führt im laufenden Jahr übrigens sogar die Performance-Liste noch vor den US-Technologieindizes an, obwohl sich nicht nur die deutsche, sondern auch die japanische Wirtschaft in einer technischen Rezession befindet. Das macht die aktuelle Börsenwelt in meinen Augen nur noch verrückter. Und möglich ist das quasi nur durch die Geldpolitik der Notenbanken bzw. die schuldenfinanzierte Fiskalpolitik der Regierungen, die konjunkturelle Schwächen überdeckt bzw. mehr als ausgleicht. Vor allem global aufgestellte Unternehmen können dadurch weiterhin fleißig Gewinne erwirtschaften, was deren Aktienkurse treibt. (Für Aktionäre ist das schön, für Steuerzahler und Sparer schlecht.) Der Kursanstieg des DAX ist angemessen Die starke Kursentwicklung des DAX ist dabei durchaus angemessen. Denn deutsche Aktien sind immer noch relativ preiswert zu haben – sie sind also fundamental recht günstig bewertet. Die Helaba sieht den fairen Wert des DAX aktuell bei rund 17.400 Punkten, sodass weiteres Kurspotential vorhanden ist. Fraglich ist nur, ob sich dieses Potenzial noch entfalten kann, bevor die US-Indizes in die überfällige Korrektur gehen. Auf diese Chartmarken kommt es beim DAX nun an Und damit komme ich noch einmal zurück zum DAX-Chart: Mit dem neuen Rekordhoch ist der Index heute zur Mittellinie bei 17.205 Punkten gelangt und von dieser Hürde im ersten Anlauf abgeprallt (siehe roter Pfeil). Hier zeigt sich wieder die Überlegenheit der Target-Trend-Methode gegenüber der klassischen Charttechnik, die bei einem neuen Rekordhoch (im „uncharted territory“) solche horizontalen Widerstände nicht kennt. Erst wenn der DAX über die Mittellinie steigen kann, sind 17.400 Punkte erreichbar. Wobei dann sogar die Rechteckgrenze bei 17.560 Zählern als nächstes Kursziel erreichbar ist. Sollte hingegen auch der aktuelle Ausbruchsversuch der Bullen scheitern und der DAX wieder unter die ehemaligen Rekordhochs im Bereich der psychologisch wichtigen Marke von runden 17.000 Punkten zurückfallen, könnte diese die Kurse noch eine Weile anziehen. Rutscht der Index aber sogar (dynamisch) unter die Rechteckgrenze bei 16.850 Punkten, droht eine größere Gegenbewegung – vor allem, wenn dabei auch die US-Indizes Schwäche zeigen. Nachtrag: Steigende Inflationserwartungen Während ich diese Zeilen schreibe, wurde um 16:00 Uhr das Verbrauchervertrauen der Uni Michigan veröffentlicht, inklusive Daten zu den aktuellen Inflationserwartungen. Und auch diese fielen schlechter aus als erwartet. Denn die Konsumenten rechnen für die kommenden 12 Monate mit einer prozentualen Preisveränderung für Waren und Dienstleistungen von +3,0 %, nach +2,9 % im Januar. Die Inflationserwartungen sind also leicht gestiegen. Und da die Notenbanken auch die Erwartungen in ihre Entscheidung einfließen lassen, ist dies das nächste Argument gegen frühzeitige Zinssenkungen. Bereits vor der Datenveröffentlichung befanden sich die Aktienkurse schon auf dem Rückzug, vor allem seit Bekanntgabe der US-Erzeugerpreise. Um 16 Uhr lag der DAX bei nur noch rund 17.060 Zählern, womit das neue Rekordhoch bereits akut zu einem neuerlichen Fehlausbruch zu werden droht. Der Dow Jones hält sich aber noch stabil, was wohl stärkere Kursverluste verhindert. Wie lange noch? Ich wünsche Ihnen jedenfalls weiterhin viel Erfolg an der Börse Ihr Sven Weisenhaus www.stockstreet.de
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