EDITORIALLiebe Leserinnen und Leser, eine neue Gebührenordnung für Ärzte, Klimawandel und Künstliche Intelligenz in der Medizin: Der diesjährige 129. Deutsche Ärztetag hatte in der vergangenen Woche in Leipzig eine breite Themenpalette. Während in unmittelbarer Nachbarschaft auf dem Messegelände das Turnfest stattfand, wurde im Congresszentrum die innerärztliche Debatte leidenschaftlich und intensiv geführt. Bundesweit waren die Augen auf die Eröffnung des Ärztetags in der Nikolaikirche gerichtet: Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sprach erstmals öffentlich vor Vertreterinnen und Vertretern des Gesundheitswesens – und sendete bei mehreren Themen klare Botschaften: Mehr Dialog mit allen Beteiligten, Respekt für die Arbeit aller im Gesundheitswesen und schnelle Entlastung in der Bürokratie. Versteckt in der Rede war auch ein Hinweis auf die Debatte, auf die alle Delegierten am vergangenen Donnerstag gewartet hatten: die Zukunft der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Seit 2017 wird eine neue GOÄ vorbereitet, seit 2024 können Berufsverbände ein mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) geeintes Regelwerk mit Ziffern prüfen. Nun stand eine Entscheidung an. Und die trafen die 250 Delegierten erstaunlich klar: 212 zu 19 Stimmen für die vorgelegte GOÄ. Diese Stimmungslage wurde unter den Delegierten auch in der Debatte schnell deutlich: Viel mehr Ärztinnen und Ärzte sprachen sich für die neue GOÄ aus, nur wenige dagegen. Nach 25 Reden wurde ein Geschäftsordnungsantrag zur „Ende der Debatte“ gefordert – der auch glatt durchging. Doch nach der Debatte auf dem Ärztetag beginnt ein neuer steiniger Weg: Jetzt müssen die Bundes- und Landespolitik überzeugt werden. Gesundheitsministerin Warken erklärte dazu: Es sei „an der Zeit, ein neues Gebührenverzeichnis zu haben“ sowie „um die konkreten Planungen für eine Novellierung der GOÄ innerhalb der Koalition abzustimmen, brauchen wir einen vollständigen, gemeinsamen und nachvollziehbaren Vorschlag der Bundesärztekammer und des PKV-Verbandes". Das klingt sehr ähnlich wie die Aussagen ihrer Vorgänger zu diesem Thema in den vergangenen Jahren. Mit der Einigung in der Hand werden Bundesärztekammer und PKV-Verband sicherlich zügig im Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorstellig. Das BMG wäre dann am Zug, eine Rechtsverordnung zu entwickeln – das Bundeskabinett sowie der Bundesrat müssten dieser zustimmen. Wie lange es nun politisch dauern wird, bis eine neue Systematik in der Praxis kommt, ist noch unklar. Ein klares und deutliches Signal gab es auch beim Thema Schwangerschaftsabbruch: Die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen muss zügig kommen, die rechtliche Grauzone von Patientinnen sowie Ärztinnen und Ärzten in dieser besonderen Situation muss beendet werden, befand der Ärztetag. In der zweiten intensiven Debatte an dem Donnerstag des Ärztetages positionierten sich die Delegierten hier sehr deutlich. Die Beratung von Schwangeren vor einem Abbruch soll erhalten bleiben. Ob auch diese Forderung politisch umgesetzt wird, muss beobachtet werden: Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: Man wolle Frauen, die ungewollt schwanger werden, „in dieser sensiblen Lage umfassend unterstützen“ wolle, zum bestmöglichen Schutz des ungeborenen Lebens. Und damit sind wir in der neuen politischen Woche in Berlin: So werden in dieser Woche offiziell die drei neuen Beauftragten der Bundesregierung aus dem Bereich des Gesundheitswesens benannt: Katrin Staffler (CSU) wird Bevollmächtigte für Pflege, der Virologe Hendrik Streeck (CDU) wird Drogenbeauftragter und Stefan Schwartze (SPD) behält das Amt des Beauftragten für die Belange von Patientinnen und Patienten. Alle drei Personalien sind Überraschungen – sei es, weil die bisherigen Aufgabenfelder derjenigen nicht für die Thematik sprechen, sei es, weil zum Beispiel Schwartze das Amt bereits in der Ampelkoalition inne hatte. Außerdem werden die Krankenkassen neue Berechnungen zur Entwicklung des GKV-Beitrages vorlegen, der Hitzeaktionstag findet ebenso wie der Tag der Organspende statt. Auch mehrere Veranstaltungen zur Frauengesundheit stehen auf den Programm. Der Blick richtet sich auch weiterhin in Richtung USA und auf die Frage, wie unabhängig Wissenschaft bleiben kann. Am Donnerstag reist Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nach Washington. Wie eine „Schachfigur“ fühlt sich beispielsweise eine Medizinerin aus Hannover, mit der die Redaktion zur Situation in Harvard sprechen konnte. Auch die Ankündigung, dass das amerikanische Gesundheitsministerium nicht mehr in den großen medizinischen Journals publizieren will, löst weiter Besorgnisse aus. Eine gute Woche wünscht
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