Völlig einleuchtend ist jedoch die Motivation, die der Leser beschreibt: Selbstschutz – Angst vor Islamisten, Taliban, ISIS, ausländischen Geheimdiensten, vor denen sie zu uns geflohen sind. Reputationsschutz – Sorge, dass Extremisten, Kriminelle und Integrationsunwillige das Image der Afghanen allgemein beschädigen. Loyalität – zu unserem Staat und der Gesellschaft, die ein sicherer Hafen bleiben sollen, was nicht durch Scharia-Phantasien, Straftaten und die dadurch geförderte Fremdenfeindlichkeit gefährdet werden darf. Unverständnis – dass diejenigen, die Anträge an der Botschaft in Islamabad stellen, jahrelang warten müssen, während die aus ihrer Sicht illegale Migration in die EU belohnt wird. Und schließlich Scham – über jene Landsleute, die das Gastrecht missbrauchen. Diese Haltung gilt, glaube ich, nicht nur für die erwähnten Afghanen, sondern für die große, schweigende Mehrheit der Einwanderer. Das kommt in der hitzigen und anklagenden Atmosphäre, in der über Migration diskutiert wird, leider zu kurz. Gerade weil Deutschland die Lehren aus dem nationalsozialistischen Unrecht gezogen hat, kennt unsere Verfassung eine deutsche Staatsangehörigkeit, die unabhängig von Ethnie, Herkunft und Religion ist. Man kann darüber streiten, wie sinnvoll der Vorstoß von Friedrich Merz zu Schwerverbrechern mit zwei Staatsbürgerschaften ist – eines ist er ganz gewiss nicht: Vergleichbar mit den Ausbürgerungen, die die Nazis an Menschen wie Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr, Heinrich Mann oder Kurt Tucholsky vollzogen haben, wegen ihrer Herkunft und ihrer Weltanschauung. Welche Erfahrungen machen Sie, wenn Sie mit Einwanderern sprechen? Oder aufgrund Ihrer eigenen Migrationsgeschichte? Schreiben Sie mir an feedback@focus-magazin.de |